Aktion zum zehnjährigen Jubiläum Hospiz Elias

Graffiti meets Hospiz – Tortenschachtel Ludwigshafen im letzten Glanz

Samstagvormittag mitten in Ludwigshafen: Auf dem Berliner Platz bleiben immer wieder Leute stehen. Am Rundbau „Tortenschachtel“ erklingt Hip Hop-Musik. Farbdämpfe durchziehen die Luft, auch Klackern ist zu hören. Das Team vom Hospiz Elias hat sich zum zehnjährigen Jubiläum besondere Aktionen ausgedacht. „Graffiti meets Hospiz“ gehört dazu. Als besondere Lokation wurde die Tortenschachtel Ludwigshafen ausgewählt. Unter anderem weil der Rundbau auf dem Berliner Platz, in dem über viele Jahre ein gut besuchtes Kaufhaus untergebracht war, im April 2015 kurz vor dem Abriss steht.

Lebens-Zeit umgesetzt in Graffiti

Ein großes Banner mit dem Hospizlogo ziert das Gebäude. Graffitikünstler – darunter „Hombre“, „Sonderskooler“, „Moohee“, „Crek“ und „Cose“ – gestalten unter interessierten Blicken der Vorbeikommenden mehrere großflächige Schaufenster des Ludwigshafener „Wahrzeichens“. Auch „Ambiance“ und Lucas haben sich spontan entschieden.

Es sind zum Hospizgedanken passende Kunstwerke, die das Ende des Rundbaus begleiten. Das  Motto ist „Lebens-Zeit“. Dies bedeutet eine echte Herausforderung für die Künstler. Dabei können die Zuschauer den Fortschritt der sehr unterschiedlichen Werke hautnah beobachten. Begleitend legt DJ Greg One die passende Musik auf.

„Kommt da ein Hospiz rein?“, ist eine Frage, die Pflegedienstleiter Nicolas Kühn immer wieder beantworten muss.

Das Schicksal der „Tortenschachtel“ beschäftigt die Menschen. Nein, hier entsteht kein neues Hospiz, erläutern die Künstler und Hospiz-Mitarbeiter immer wieder. Der Rückbau des runden Gebäudes hat bereits begonnen. Die Frage ist aber oft der Anfang für intensive und interessierte Gespräche, die der 29-Jährige, seine Kollegin und ein ehrenamtlicher Hospizhelfer bis zum späten Abend führen.

Junge Menschen für den Hospizgedanken sensibilisieren

Das bunte Treiben trifft auf großes Interesse. Mal sind es 50 Zuschauer, mal nur drei. Auffallend viele Familien mit kleinen Kindern halten an und sprechen mit den Künstlern. Jugendliche versammeln sich. Aber auch viele Ältere, schwer bepackt mit Einkaufstüten oder im Rollstuhl, lassen sich „verzaubern“. Einige sind gezielt gekommen, weil sie in der Zeitung oder über Soziale Medien von dem Event erfahren haben. Einer der Interessierten ist Heinrich Springer, 68, aus Schwetzingen. Er hat von einem Kollegen von der Aktion gehört und ist mit seiner Frau vorbei gekommen. „Hospiz ist etwas Positives. Die Graffitis sehen toll aus. Es ist gut, dass dadurch auch junge Leute angesprochen werden“, erklärt der ehemalige Ludwigshafener. Er ist selbst ehrenamtlich in einem ambulanten Hospizdienst tätig und kennt die „Tortenschachtel“ noch als Kaufhaus.

Tortenschachtel noch einmal im Fokus

Die Menschen nehmen Anteil am Schicksal des „Ludwigshafener Wahrzeichens“, wird an diesem Tag deutlich. Ein älterer Mann zeigt Fotos, wie der Platz vor dem Bau der Tortenschachtel ausgesehen hatte. Eine Dame berichtet, wie ihre Mutter früher hier gearbeitet hat. Marie – fünf Jahre alt – will genau wissen, was hier entsteht und zieht ihren Vater von Künstler zu Künstler. Sie strahlt, als diese ihr die Bilder erklären.

„Die Aktion ist metaphorisch für die Hospizarbeit: Der Rundbau wird bald nicht mehr da sein. Jetzt verschönern wir ihn noch einmal. Eine Wertschätzung bis zum Schluss“, sagt Laura.

Die 27-jährige Studentin aus Mannheim ist Mitgründerin der „Creativity and artistic development foundation“ (CAD). Diese hat „Graffiti meets Hospiz“ mit ermöglicht. „Hombre“, ist eigens für die Aktion aus Nürnberg gekommen. Der 34-Jährige fühlt sich dem Hospiz und der Hospizidee stark verbunden. Als Zeichen für Wandlung, Vergänglichkeit und „Lebens-Zeit“ sprait er ein Kleinkind und dessen Großmutter auf die Scheibe.

„In der Graffiti-Community wurde die Aktion sehr positiv aufgenommen. Die Kombination ist ungewöhnlich und das Thema herausfordernd und spannend“, sagt der aus Mannheim stammende Künstler. Immer wieder nimmt er sich Zeit, um mit Passanten und Zuschauern zu sprechen. Auch „Cose“ hält die Verbindung von Hospiz mit Graffiti für eine gute Sache. Sein Bild im Comicstil soll fröhlich sein und die Zuschauer positiv stimmen.

Das Hospiz-Thema fordert die Künstler heraus

Besondere Akzente setzt „Sonderskooler“. Er schreibt mit Hingabe ein Rilkegedicht über die Vergänglichkeit auf die Scheiben. „Moohee“ hat von einem Freund von der Aktion gehört. Deshalb ist er aus Interesse vorbei gekommen. Jetzt gestaltet er ein großes Schaufenster. Ein Mädchengesicht entsteht. Immer wieder ergänzt und verändert er und trägt dabei Farbe nach Farbe auf.

Aktion zum zehnjährigen Jubiläum Hospiz Elias
Graffiti meets Hospiz an der Tortenschachtel Ludwigshafen

Auch Graffiti-Begeisterte kommen gezielt zum Berliner Platz

Steven Weiland nimmt sich den ganzen Tag Zeit. Er schaut, beobachtet, macht Fotos und ist „einfach nur begeistert“. „Wenn eine solche Aktion in Ludwigshafen stattfindet und diese tollen Künstler hier sind, dann muss ich da sein“, beschreibt der 21-Jährige. Konzentriert schaut er seinem Idol „Pablo“ über die Schulter. Der Ludwigshafener findet das Thema passend und tiefgründig.

„Graffiti auf der Straße ist ja auch etwas Vergängliches.“


Anmerkung der Autorin

Der Text ist 2015 als ehrenamtlicher Beitrag für das Hospiz Elias in Ludwigshafen entstanden und wurde zum Jubiläum auf der Homepage der Einrichtung veröffentlicht.

Das zehnjährige Jubiläum feierte das Hospiz Elias in Ludwigshafen mit einem bunten Strauß an Veranstaltungen: Das Leitthema des Hospiz „Leben – ein Leben lang“ wurde dabei in das Motto „Lebens-Zeit“ übertragen.